Der erste Tagesausflug steht an. Heute soll es schon um 9 Uhr losgehen – mit dem Bus zunächst nach Bolnisi, das ehemals Katharinenfeld hieß. Hierher in die Gegend sind ab etwa 1817 ca. 500 schwäbische Familien ausgewandert. Religiöse Verfolgung (streng religiöse, schwäbische Pietisten) und der Hunger haben sie dazu bewogen, sich hier im Kleinen Kaukasus niederzulassen; in einem damals mehrheitlich muslimischen Gebiet. 

Nach schweren Anfangsjahren mit Epidemien, Überfällen und großen wirtschaftlichen Problemen ging es aufwärts. Eine zweite Einwanderungswelle erreichte Georgien Anfang des 19. Jahrhunderts. Nach der Besetzung Georgiens durch die Rote Armee 1921 wurde die Stadt von den neuen Machthabern nach der sozialistischen Freiheitskämpferin Rosa Luxemburg in Luxemburg umbenannt. Die Kolonisten verloren ihre wirtschaftliche Eigenständigkeit und ihre kirchliche Souveränität, was in der Folge 1932/1933 zu einer schweren Hungersnot führte. Im Jahr 1941, kurz nach dem Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion, ließ Stalin alle Deutschen, die nicht mit Georgiern verheiratet waren, nach Sibirien und Kasachstan deportieren: fast 6.000 Menschen mussten die Stadt verlassen. Daher wohnen heute nur noch wenige deutschstämmige Bewohner in der Stadt, die seit 1944 „Bolnisi“ heißt.

Diesen Pietisten haben wir in dieser Gegen den Weinanbau zu verdanken, denn die Muslime trinken ja keinen Wein. Auch heute noch leben hier viele Muslime, viele stammen ursprünglich aus Aserbaidschan. Die ganze Gegend ist sehr fruchtbar, bis zu 3 Ernten gibt es jedes Jahr. Unendlich viele Kartoffelfelder sehen wir, viele Walnussbäume und Haselnusssträucher. Nur ab und an ein Getreidefeld dazwischen. Und auch wenn es große staatliche Betriebe gibt, die moderne Maschinen und Geräte an die Bauern vermieten, sehen wir doch noch sehr oft Pflüge, die hinter Pferden hergezogen werden. Das machen die Männer, auf den Feldern hacken ist wohl ausschließlich Frauensache. Die Lebenserwartung für Frauen liegt hier auch unter der der Männer: 70 Jahre Frauen / 75 Jahre Männer. Die Kirche in Bolnisi ist die älteste Kirche, die wir auf unserer Reise besuchen: die Ursprünge sind aus dem 5. Jhdt.. Bis heute lebt eine Handvoll Nonnen in kleinen Holzhäuschen rundherum. Der Staat finanziert deren Lebenshaltung – die christlich orthodoxe Kirche ist quasi eine Staatskirche mit vielen Privilegien hier in Georgien, unter anderem werden Klöster, Mönche, Nonnen unterstützt/finanziert. Andere Glaubensgemeinschaften/Religionen werden zwar toleriert, erhalten aber keinerlei Unterstützung vom Staat. Fotografieren dürfen wir in der Bolnisi-Kirche leider nicht.

Die Weiterfahrt führt uns dann weiter in den Kleinen Kaukasus hinein bis auf rund 1.000 Meter Höhe nach Daminsi. Vorbei auch an einer Goldabbaustätte, die aus Sowjetzeiten stammt. Die Plattenbauten der Arbeiter sehen für unsere Vorstellungen „kaum bewohnbar“ aus – aber sie sind bewohnt. Der Abbau bringt Arbeitsplätze, aber in der Gegend wird auch über ungewöhnliche und ungewöhnlich häufige Krankheiten gesprochen, die dem Abbau zugerechnet werden. Die Ausgrabungsstelle des ältesten Funds eines Homo Erectus in Europa in Dmanisi wollen wir sehen und fahren die immer enger (und schlechter) werdenden Straßen hinauf. Hier oben wurde 2005 ein einzigartiger Fund gemacht: Ein fast vollständig erhaltener Schädel eines Homo Erectus mit einem Alter von 1,8 Mio Jahren. Seine Merkmale widerlegen einige bis dahin allgemein akzeptierte Hypothesen und diverse Vermutungen. Besonders ist auch, dass weitere Frühmenschenschädel und Skeletteile gefunden wurden, die zeitgleich gelebt haben. Alle Funde zusammen zeigen, dass bereits vor ca. 1,8 Mio Jahren die ersten Vertreter der Gattung „Homo“ aus Afrika in Europa angelangt und sich hier ausgebreitet haben.

https://www.archaeologie-online.de/nachrichten/einzigartiger-schaedelfund-widerlegt-fruehmenschliche-artenvielfalt-2375/

Danach geht es wieder zurück nach Tbilisi, durch die Stadt hindurch bis in einen kleinen Vorort. Hier lebt und arbeitet eine Freundin unserer Reiseführerin. Ebenfalls eine deutschsprachige ehemalige Reiseführerin. Bei „Theona“ sind wir zum Essen eingeladen und wie man die georgischen Teigtaschen Chinkali macht, will sie uns ebenfalls zeigen. Wir werden herzlich empfangen und sitzen in einem kleinen Glashaus draußen im Garten. Wir bekommen ein fantastisches Essen serviert: wiederum die schon bekannten Auberginenröllchen mit Walnussmus darin, Rote-Bete-Nocken, Sesambrot, Tomaten-Gurken-Salat als Vorspeisen, dann gebackene Kartoffeln, Hühnchen in einer leckeren Walnuss-Sauce, Tomaten mit Bulgur-Hackfleisch-Füllung, Chinkali mit Hackfleischfüllung, als Dessert Baklava Walnusskuchen mit Rosinen.

Für heute reicht es dann auch – der Kopf ist voll, die Beine schwer, der Magen mehr als gut gesättigt. Wir fahren zurück ins Hotel. Ein kleiner Ausflug in die Sameba Kirche noch etwas weiter oben am Berg rundet unseren Abend ab.