Nur wenige Kilometer von Geghard entfernt liegt uns nächstes Ziel: Garni. Hier war einige Jahrhunderte lang die Sommerresidenz der armenischen Könige, die eine Festung errichteten, von der aber nur noch Ruinen erhalten sind. Innerhalb des Festungsgeländes wurde 66 n.Chr. der der Sonnengöttin Mithra gewidmete Tempel im griechisch-römischen Stil mit den geometrischen Theorien der Griechen Platon und Pythagoras mit 24 ionischen Säulen errichtet. 1679 wurde er durch ein schweres Erdbeben zerstört, 1966 mit Originalmaterial rekonstruiert. Er ist der einzige erhaltene hellenistische Tempel im Kaukasus. Wie so oft, steht die Anlage auf viel älteren Fundamenten, vermutlich einer heidnischen Kultstätte: die Zyklopensteine der Steinmauern standen hier schon im 3. Jahrtausend vor Christus. Armenien war zu dieser Zeit eines der größten metallurgischen Handelszentren in Mesopotamien und Kleinasien. Der Garni-Tempel wurde über einem Tempel der Urarträer errichtet, mit einer Ausrichtung nach Osten, der aufgehenden Sonne entgegen – in vorchristlichen Zeiten eine verbreitete Ausrichtung von Sakralbauten. Auch das römische Badehaus mit Fußbodenheizung und einem wunderschönen Mosaik, das der Herrscherfamilie vorbehalten war, besichtige wir.
Trotz der Höhenlage von 1.400 Metern werden in der Umgebung Wein, Obst und Walnüsse angebaut. Dass hier – wie in vielen Regionen Armeniens – die frostempfindlichen Aprikosen in so großer Zahl erfolgreich angebaut werden, erstaunt mich immer wieder: zuhause am Kaiserstuhl erfrieren sie oft, erfahrungsgemäß beschränkt sich die Ernte auf wenige Aprikosten in wenigen Jahren. Vor der Anlage sind dementsprechend viele Köstlichkeiten aus den heimischen Küchen zukaufen: getrocknetes Obst, eingelegtes Gemüse, grüne eingelegte Walnüsse und vieles mehr.
Die Mittagspause verbringt die Gruppe getrennt: die einen erleben wie das traditionelle, papierdünne Brot „Lavash“ gebacken wird und genießen ein Mittagessen bei einer armenischen Familie. Die anderen fahren in die „Basaltschlucht von Awan“ zu einer sehenswerten Basaltsteinformation hinunter: 6-eckige Basaltsäulen, die von der Talsohle bis zur Spitze der Schlucht ragen. Eine an der anderen – fast wie eine Orgel ragen sie die Felswand hinauf, „Symphonie der Steine“ wird es auch genannt. Perfektion – von der Natur selbst geschaffen.
Wir entscheiden uns für das Mittagessen, wollen wir doch auch sehen, wie das Lavash gebacken wird, dieses hauchdünne Fladenbrot, das in den letzten Tagen immer mit auf dem Tisch stand. Und so schauen wir den Frauen zu, die den Teig ausrollen und dann geschickt mit einem Kissen an die Wände des Ofens kleben, bis es nach wenigen Minuten fertig ist. Der traditionelle Ofen ist in die Erde gebaut, unten drin ist die Glut, die eine ordentliche Hitze entwickelt. Mit einem festen Kissen (komplett aus Baumwolle) wird der ganz leicht mit Wasser benetzteTeig hineingegeben. Wir dürfen das Ergebnis gleich probieren: mit vielen frischen Kräutern und etwas Schafskäse gefüllt, rollen wir das Brot auf. So frisch, so lecker gefüllt – einfach genial. Das Mittagessen danach wird fast zur Nebensache.
Die Gruppe findet wieder zusammen und so fahren wir zurück ins rund 30 km entfernte Yerevan -die Stadtbesichtigung steht ja auch noch auf dem Programm. Mit Maryam fahren wir zunächst zur Vernissage, die eigentlich nur am Wochenende geöffent ist, heute aber zum Teil, da ein Feiertag ist. Die Vernissage ist nach unserem Verständnis ein Markt mit Marktständen, mit neuen wie mit gebrauchten Waren (Flohmarkt). Alle noch offenen Einkaufswünsche werden hier erfüllt: von Schmuck bis Schachfiguren – alles findet sich. Danach zeigt uns Maryam die Monumentalbauten aus der Sowjetära, den Platz der Republik mit seinen Wasserspielen und den umliegenden Regierungsgebäuden. Weiter gehts durch die Straßen, um die Demonstration gegen die aktuelle Regierung machen wir einen großen Bogen. Und am Ende stehen wir vor der Kaskade: das staatliche Kunstmuseum, dass sich terrassenartig bis hoch über die Stadt erhebt.
Es ist schon spät und so geht es nur für eine kleine Pause zurück ins Hotel. Das letzte Abendessen genießen wir in einem kleinen Restaurant nur wenige Fußminuten entfernt. Noch einmal gibt es „neue“ Vorspeisen, ein üppiges Hauptgericht, etwas Süßes und Kaffee zum Schluss. Und dann folgt die obligatorische Abstimmung zur Heimreise: Abholung mit dem Bus um 2.00 Uhr, damit wir rechtzeitig am Flughafen ankommen.
Vartan und Maryam holen uns ab – wir verabschieden uns von ihnen und dem „Land der Steine – Hajastan“, in dem wir so schöne Tage erleben durften. Wir sind froh und glücklich, dass wir das erleben durften.