Vom etwas außerhalb des Ortes gelegenen Hotel Tufenkian müssen wir zunächst nicht weit fahren, im Ort besuchen wir heute zuallererst den „Kreuzstein-Meister“. Nach der Filz-Künstlerin wieder ein Meister seines Fachs: der 77-jährige stellt seit über 50 Jahren Kreuzsteine her und davon sind keine zwei gleich: jeder Kreuzstein ist ein Unikat. In der Werkstatt entstehen bis heute Steine, die teilweise in die ganze Welt gehen, bis in die USA. Auch in Bayern stehen Steine von ihm, die bei ihm in Auftrag gegeben werden. Beauftragt werden Größe und Menge – die Gestaltung liegt in den Händen des Meisters. Derzeit liegt ein sehr großer Stein zur Bearbeitung hier – seit fast 3 Monaten arbeitet der Meister und zwei seiner Lehrlinge schon daran. Am Ende kostet der Stein zwischen 2.000 – 3.000 US-Dollar. Wenn ich das Ergebnis sehe, wie filigran und perfekt es ist und daran denke, dass welche hohe Kreativität mit dem unbedingt notwendigen handwerklichen Geschick zusammen kommen müssen, um so etwas entstehen zu lassen, erscheint es mir, als wäre dieser Kreuzstein seinen Preis mehr als Wert.
Der Kreuzstein-Meister erzählt uns von seinen Anfängen bei seinem Vater, der schon Steinmetz war. Zuerst hat er die Technik erlernt, dann sich Stück für Stück ganz eigenständig zu einem der wenigen heutigen Kreuzsteinmeister entwickelt. Neben der Technik und Zeichenkünsten ist vor allem Kreativität erforderlich, erzählt er uns. Zwei Bücher gibt es mit ihm/über ihn. Und bis heute ist er noch fast täglich in der Werkstatt – heutzutage oft begleitet von seinem Enkel, was ihm besondere Freude bereitet. Zwei aus der Gruppe versuchen sich an einem kleinen Stein – gar nicht so einfach. Der Meister hat kleine, handliche Kreuzsteine in seinem Vorrat bereitstehen – viele von uns kaufen welche, sie sind eine bleibende Erinnerung und gut zu transportieren.
Dann geht’s weiter zum Kloster Goschavank aus dem 12. Jhdt. im Ort Gosh, das an der Stelle eines früheren Klosters erbaut wurde, das bei einem Erdbeben zerstört worden war. Goschawank ist auch für Armenier ein beliebtes Ziel – eine ganze Schulklasse steht auch schon hier. Hier bestaunen die ganze Anlage, fragen uns wieder einmal wie die Menschen das ganze ohne modernes Gerät geschafft haben und bewundern einen der schönsten Kreuzsteine Armeniens, der 1291 entstanden ist – in der Zeit höchsten künstlerischen Niveaus bei der Kreuzstein-Gestaltung. Intakte Kreuzsteine stehen immer mit der gestalteten (Schau-)Seite in Richtung Westen; der Altarraum der Kirchen liegt immer in Richtung Osten – so erklärt uns unsere Reiseführerin Liana, dass man sich damit ganz einfach orientieren kann.
Nach Goschavank fahren wir zunächst nach Dilidjan, das vor allem für seine Bauten mit Holz bekannt ist – ganz untypisch für Armenien, das zu Recht das „Land der Steine“ genannt wird. In Dilidjan gibt es eine Art Fachwerk und Holzbalkone mit vielen Verzierungen. Auch viele Armenier besuchen diese Stadt, mehrere kleine Einkaufsläden gibt es daher auch. Und dann gibt es auch schon Mittagessen bei einer armenischen Familie in Dilidjan, die uns in ihr Wohnzimmer einlädt, an einen wirklich reichhaltig gedeckten Tisch, mit verschiedenen Vor- und Hauptspeisen, die wir noch nicht kennen. Wie immer: alles sehr sehr lecker.
Unser letzter Reiseabschnitt für heute folgt: die Fahrt zum Sevansee. Armenien hat kein Meer – aber den Sevansee, an dem Armenier auch gerne Urlaub machen, an ihrer „blauen Perle Armeniens“. Bald schon fahren wird durch einen Tunnel, der erst 2018 vollständig renoviert wurde. Der frühere Tunnel wurde schon im 18. Jahrhundert erbaut – angeblich gegen 1 kg Gold pro Meter. Wir fahren auf der bewaldeten, grünen Hochebene hinein – und kommen in einer ganz anderen Landschaft heraus. Steppe erwartet uns, nur noch vereinzelte Bäume, ansonsten grüne Wiesen bis zum Sevansee. Der Sevansee ist der zweitgrößte Süßwassersee in dieser Höhe (rund 1.900 Meter) der Erde – nur noch der Titicacasee liegt höher. Der Sevansee ist einer der größten Hochgebirgsseen der Welt – nur noch der Titicacasee liegt höher. Im Sommer wird hier auch gebadet – allerdings ist das Wasser auch dann eiskalt und da es starke Strömungen gibt, ist das Schwimmen im See auch sehr gefährlich, an manchen Stellen auch ganz verboten. Wir beginnen unsere Umfahrung am kleinen See am nordwestlichen Ufers und besichtigen zunächst die Klosteranlage Sewanawank, die heute auf einer Halbinsel liegt. Während der Sowjetzeit wurde dem Sevansee viel zu viel Wasser entnommen, der Wasserpegel sank um 18 Meter sank und die Fischbestände haben stark gelitten. Vom Parkplatz aus müssen wir noch eine ganze Menge Stufen hinauflaufen, aber es lohnt sich. Schon um 800 n.Chr. gab es hier wohl eine Kappelle, das Kloster wurde lt. einer Inschrift in der kleineren Kirche dann im Jahr 874 erbaut. Eine Wehrmauer gibt es hier – ganz untypisch für Armenien – nicht. Das Kloster war aber ja durch die frühere Insellage geschützt.
Wir fahren noch einige Kilometer bis ins Hotel – wieder eine „Tufenkian“ – erbaut durch einen reichen Armenier, der in den USA lebt. Ein „Ökohotel“ wird uns gesagt, das sich der Nachhaltigkeit verschrieben hat. So ist dann auch der der Speisesaal einige Meter vom Haupthaus entfernt – wir müssen doch einige Minuten laufen. Ein Verdauungsspaziergang nach dem leckeren Essen – heute frischer Fisch aus dem See – ist auch ganz gut. Aber kalt ist es geworden: gerade noch 3°C haben wir und es regnet. Dafür erleben wir noch einen wunderschönen Sonnenuntergang.